Ich nannte ihn Krawatte – Milena Michiko Flašar

Auf das Buch bin ich Dank einer Empfehlung der österreichischen Unternehmerin und Autorin Madeleine Alizadeh, aka @dariadaria, auf ihrer Instagram-Seite aufmerksam geworden, da sie es erwähnte hatte, dass es ihr gut gefallen hat. Bei mir hinterließ es leider keinen bleibenden Eindruck, zwar war es ein netter Zeitvertrieb, als ich es gelesen habe, jedoch würde ich bei einer durchschnittlichen Bewertung von 3/5 ★ bleiben.

Was mich bereits am Anfang gestört hat, war dass sich die Geschichte sehr langsam entwickelt hat. Ich habe normalerweise beim Lesen nichts dagegen, wenn es sich in der Erzählung mehr um das Innenleben der Charaktere dreht und sonst kaum was passiert, hier musste ich mich aber wirklich zwingen, um weiter zu lesen. Schuld daran konnte auch der Stil gewesen sein, da die Art zu schreiben mir einfach zu blumig-poetisch war. Normalerweise würde ich kreative Metaphern gutheißen, hier wirkte das Ganze aber zu erzwungen:

Kumamoto, mich hinterherziehend, um ihn herum der Geruch einer fremden Landschaft. Er roch nach Böden, die zentimeterdick zugefroren waren, nach seltsamen Pflanzen, die sich darunter verdeckt hielten. […] Wir waren eine Insel inmitten wogender Wellen. Eine Umklammerung, plötzlich, Kumamoto hielt mich fest.

S. 35

Was der Autorin jedoch auf jeden Fall gelungen ist, war es eine bestimmt Atmosphäre zu erschaffen, so dass das Buch einen auch mit in seine Stimmungslage zog. Man sollte darauf vorbereitet sein, in die Tiefen der menschlichen Psyche einzutauchen. Es werden nämlich Themen wie Einsamkeit, Zugehörigkeit, Verpflichtungen gegenüber seiner Familie, Depression, Selbstmord und Tod behandelt. All das ist in einer für einen Europäer ziemlich fremden Kultur verpackt, da das Geschehen in Japan stattfindet.

Eigentlich hätte ich lieber, dass der Tod ein Ende ist. Ein sauberer Schnitt. Mit nichts, was nachkommt. Man tritt ein in ein Vakuum. Keine Person mehr, keine Geschichte. Vollkommen erlöst. Oder wie ist das? Seine Stimme wie zerknülltes Papier.

S. 94

Sobald man sich in den eigenen Stil mit kurzen Sätzen eingelesen hat, bekam man besser die Essenz des Buches zu spüren. Man wurde auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitgenommen, jedoch schaffte ich es nicht, eine Verbindung zu den Charakteren aufzubauen. Vielleicht weil sie auf so eine flache und distanzierte Art und Weise beschrieben wurden.

Um es zusammenzufassen, war es eine Lektüre der anderen Art. Im Endeffekt ein spannendes Leseerlebnis, jedoch bestimmt nicht jedermanns Geschmack. Ich würde das Buch jenen Lesern empfehlen, die sich hin und wieder nach einem melancholischen Leseerlebnis sehnen und dieses an einem grauen, verregneten Herbsttag genießen würden (als Strandlektüre, wie in meinem Fall, hat es sich nicht ganz passend angefühlt 😀 ).

Ich nannte ihn Krawatte – Milena Michiko Flašar

★★★☆☆ (3/5)

Edition: ISBN 978-3-442-74656-9
BTB Verlag, 2014 (Zuerst veröffentlicht in 2012)

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