Alte Weisse Männer – Sophie Passmann

“Alte Weisse Männer” haben einen Platz in meinem Bücherregal gefunden, weil ich mich in 2020 von der Trendwelle habe mitreißen lassen, als das Buch als ein Spiegel Bestseller beworben wurde. Zum Lesen davon bin ich erst drei Jahre später gekommen und wenn ich damals schon gewusst hätte, dass das Buch nur aus fünfzehn Interviews mit alten weißen Männern besteht, hätte ich es wahrscheinlich nicht gekauft. Es gab sehr viele problematische Punkte darin und je weiter ich mit dem Lesen vorankam, desto weiter musste ich meine Bewertung senken. Während es am Anfang ein 3/5 ★-Buch zu sein schien, ist es zum Ende hin auf die niedrigste Bewertung von 1/5 ★ abgerutscht. Es war leider eines dieser Exemplare, das ich höchstwahrscheinlich nicht fertig gelesen hätte, wenn ich mich nicht dazu gezwungen hätte.

  • Den ersten Punkteabzug gab es, weil ich vom Lesen kaum etwas mitgenommen habe. Ich habe Stunden damit verbracht, sexistischen Aussagen von Männern ausgesetzt zu werden, von welchen alle (bis auf den Vater der Autorin) in der Öffentlichkeit stehen. Was mich dabei am meisten schockiert hat, war dass all diese Politiker, Schauspieler, Kabarettisten, Magazin-Redakteure etc. keine Scham hatten, ihre einem patriarchalen-Weltbild entsprechenden Aussagen gedruckt veröffentlichen zu lassen. Die Tatsache, dass unsere Gesellschaft voll von sexistischen Männern ist, ist eine Realität, für welche ich nicht unbedingt eine 282-seitige Bestätigung gebraucht hätte.

Und wenn ich jetzt richtig politisch werden darf, dann […] ist es doch so, dass Frauen sich um Menschen kümmern, und das wird schlecht bezahlt, und Männer kümmern sich um Maschinen, und das wird besser bezahlt. […] Männliche Berufe sind Maschinenberufe […] und Frauenberufe sind Menschenberufe.

S. 63

Wenn du kleine Jungs und kleine Mädchen vergleichst, dann sind die Jungs immer so bräsig miteinander und reden gar nicht so viel […] und Mädchen, die sozialisieren unglaublich und sind da auch durchaus anstrengender. Das geht in der Arbeitswelt weiter. Gerade Frauen, die relativ neu in dieser Branche sind, neigen manchmal dazu, vielleicht zu schnell ein bisschen zu viel beweisen zu wollen.

S. 97

  • Der zweite Punkteabzug hing für mich damit zusammen, dass mit dem Untertitel des Buches, “ein Schlichtungsversuch” impliziert wird, welcher der Autorin meiner Meinung nach misslungen ist. Man hatte das Gefühl, als ob sie es als ihre Pflicht sah, sich die Meinungen der Männer ergehen zu lassen, anstatt eine tatsächliche Konversation zu führen. Man wusste nicht, ob Gegenfragen nicht gestellt wurden, oder ob sie im Buch einfach nicht erwähnt wurden (beides war für die Leseerfahrung ungünstig). Als dann auch Phrasen gefallen sind, in denen offen ausgedrückt wird, dass die Autorin zum Beispiel keine Lust hatte, mit ihren Interviewpartnern zu diskutieren, hinterfragt man umso mehr den Sinn des Buches:

Aber das ist jetzt selbst mir zu abgefahren, an einem brütend heißen Sonntagnachmittag in der prallen Sonne mit einem verkaterten Fashionblogger die Auflösung des späten Kapitalismus zu diskutieren.

S. 118

Ich versuche meinen Kopf zu einem interessierten Nicken zu überreden, ich schaffe es nicht. Das war natürlich keine Antwort auf meine Frage. Das war nicht mal derselbe Sachverhalt. Das war, als würde ich Rainer Langhans nach guten Rezepten für Obsttorte fragen, und er würde mir erzählen, dass er auch im zweiten Gang am Berg anfahren kann.

S. 257

  • Zum dritten Punkteabzug führte der generelle Stil des Buches. Ich war kein Fan des Humors der Autorin, welcher meiner Meinung nach so sehr im Widerspruch zum Thema des Feminismus stand. Wenn man schon auf eine herabwürdigende Art und Weise von seinen Gesprächspartnern behandelt wird, teilweise Respektlosigkeit begegnet, ist es wie Salz in eine Wunde streuen, wenn man sich als Frau sich zusätzlich über sich selber lustig macht, auch wenn nur im Scherz.

Herr Poschardt verspäte sich ein wenig, sagt die Dame, während sie mich zum Aufzug begleitet. Die CDU-Generalsekretärin sei zu Besuch im Newsroom, das ziehe sich alles ein wenig. Erst also trifft Poschardt die Spitzenpolitikerin einer der Regierungsparteien, dann mich. Es ist ein brachialer Abstieg für den Vormittag.

S. 195

Ich zucke schon nicht mehr zusammen, wenn er dieses Wort benutzt. Stattdessen esse ich eingeschüchtert meinen Hummus […].

S. 255

  • Letztendlich landen wir bei 1/5 ★ aufgrund von bestimmten Äußerungen der Autorin. Zwar erhofft und erwartet sie sich, dass die alten weißen Männer sich des Feminismus bekennen, Frauen nicht aufgrund ihres Aussehens beurteilen und sie ernst nehmen, jedoch fehlt genau dasselbe Verhalten bei ihr selber. Zwar sollen sie Feministen sein, jedoch nur eine bestimmte Art von Feministen. Sich so widersprüchlich innerhalb des eigenen Buches auszudrücken und jemanden so hart aufgrund seines Aussehens zu urteilen, kann nur einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen:

Ich stelle meine nächste Frage, als ein Typ an unseren Tisch kommt und unser Gespräch unterbricht. Er trägt einen weiten grünen Parka und Chucks, dazu wirklich viel zu viele viel zu ungekämmte Locken auf dem Kopf, er sieht aus wie das einfallsloseste Klischee eines linken Studenten Mitte zwanzig.

S. 232

Er reiht so viele Plattitüden aneinander, dass jede Bundespressekonferenz wie ein politischer Thriller dagegen wirkt, und er tut das mit einem, ja, verzeihen Sie mir diesen Klischee-Feminismus, mit einem männlichen Selbstbewusstsein.

S. 233

Um es auf einer positiven Note zu beenden – am Anfang habe ich erwähnt, dass ich vom Lesen kaum etwas mitgenommen hatte. Dennoch gab es einen Punkt, der bei mir einen Eindruck hinterlassen hat. Ich hatte immer schon meine Zweifel um Quoten herum, jedoch nehme ich mir aus dem Buch einen bestimmten Satz mit, um damit ab jetzt auch selber für die Frauenquote zu argumentieren:

Das lässt vermeintlich jede Frau in einem Chefsessel in der ewigen unterschwelligen Unsicherheit zurück, ob sie vielleicht gar nicht gut genug ist für ihren Job. Ähnlich muss es dem alten weißen Mann gehen: Eigentlich kann er sich nicht sicher sein, ob er wirklich seiner Kompetenz wegen in der Chefetage sitzt oder nur, weil er ein alter weißer Mann ist und somit seine Werkseinstellung maximal gut ist.

S. 23

Generell gesehen, fand ich es schade, dass bei einem Buch über Feminismus nur Männer ins Rampenlicht gerückt wurden. Zwar war es ein negatives Rampenlicht, jedoch befinden wir uns bereits in dem derartigen Ungleichgewicht in unserer Gesellschaft mit einer Überrepräsentation an Männern in der Öffentlichkeit, dass es schade ist, nicht lieber für Frauen den Platz geräumt zu haben. Damit rate ich euch vom Lesen des Buches ab und hoffe, dass es bald an Popularität verlieren wird, da es meiner Meinung nach, definitiv keinen Platz auf der Bestsellerliste verdient hat.

Alte Weisse Männer – Sophie Passmann

★☆☆☆☆ (1/5)

Ausgabe: ISBN 978-3-462-05246-6
Kiepenheuer & Witsch, 7. Auflage 2020 (zuerst veröffentlicht in 2019)

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